Der ganz normale Wahnsinn

Dass Urlaub nicht unbedingt etwas mit Erholung zu tun haben muss, dürfte bereits landläufig bekannt sein. Vor allem die Zeit davor kann die Stressresistenz ordentlich auf die Probe stellen.

Es beginnt mit dem folgenschweren Entschluss, sich eine Auszeit von der Baustelle daheim zu gönnen und die kommenden drei Tage am nahegelegenen Balaton zu verbringen. Auf der Hotelplattform wird eilig nach einer hübschen Unterkunft gesucht. Doch da haben wir die Rechnung ohne die Touristenströme gemacht, die mit Sorgfalt und Bedacht ihren Urlaub bereits vor Monaten gebucht haben dürften: Fast nichts mehr frei. In letzter Minute buchen wir ein kleines, aber feines Familienappartement mit Mini-Schlafzimmer und einer Couch zum Ausziehen. Soll nichts Schlimmeres passieren!

Nach der nervenaufreibenden Unterkunftssuche geht es ans Eingemachte, schließlich packen sich die Koffer für vier nicht von alleine und man will schon am nächsten Morgen abfahren. Wir sind ja spontan! Eilig werden also Kästen durchforstet, Laden aus- und Trolleys eingeräumt. Es wird gesucht, geärgert und geflucht, doch das tut der Urlaubsfreude keinen Abbruch. Dem immer größer anwachsenden Chaos in den vier Wänden will man sich im Moment nicht hingeben, das kann auch nach dem Urlaub erledigt werden.

Endlich stößt man mit Bier und Aperol auf die bevorstehende Reise an. Das Einladen der Koffer ins Auto wird man am nächsten Tag erledigen, schließlich hat man ja nur einen Kurztrip geplant.

Der nächste Morgen lässt die Aufregung des Vorabends wiederaufflammen. Hektisch wird herumgerannt. Wo sind nur die verdammten Reisepässe hin? Warum ist der Zulassungsschein nicht auffindbar? Warum spinnt das Navi schon wieder?

Als alle Unklarheiten beseitigt sind und man sich endlich auf den Sitz plumpsen lässt und angurtet, atmen alle tief durch. Der Urlaub kann beginnen.

Na ja, fast, denn da fällt mir ein, dass ich noch nicht kontrolliert habe, ob der Geschirrspüler abgedreht ist. Da mein mir Anvertrauter in dieser Situation lieber auf Streit verzichtet, lässt er mich gewähren. Bei dieser Gelegenheit kann ich noch schnell die Jalousien auf gleiche Höhe bringen und die Kaffeetassen in den Geschirrspüler räumen. Dauert alles nur ganz kurz.

Das befinden die Kinder nicht, die im Auto schon angefangen haben zu streiten, wer denn den besseren Sitzplatz ergattert habe und nun den Vater damit nerven, wann man denn am Zielort angelangt sei. Der ganz normale Urlaubswahnsinn eben!

Das durch die Zähne gestoßene: »Mit euch fahr ich nirgends mehr hin!« des sonst so friedvollen Ehemannes überhöre ich genauso geflissentlich wie das Gezeter der Nachkommen und drehe das Autoradio auf. Langsam kommen wir in Stimmung und freuen uns auf den wohlverdienten Kurztrip.

Aber so ein Urlaubsanfang hat auch sein Gutes: Man hat viel Stoff, um bei Sommerpartys und Grillfesten davon zu erzählen. In diesem Sinne wünsche ich euch allen einen wunderschönen Urlaub! Erholen könnt ihr euch auch später!

25. Juli 2019 – veröffentlicht im „Schreib was“-Magazin, 2021

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